Die „Spitex dihei“ in Coronazeiten

Mai 29, 2021 | Allgemein

Christine Reh arbeitet selbstständige Pflegeperson in der freiberuflichen Pflege. Lesen Sie, welche Auswirkungen die Coronapandemie auf ihre Arbeit hatte und immer noch hat.

Erst einmal möchte ich mich ganz herzlich bei allen Wernetshausern, Klienten, Angehörigen und Ärzten bedanken. Mit meinem blauen Spitexauto war ich im letzten Jahr fast täglich unermüdlich im Einsatz. Es war eine strenge, aber auch eine sehr bereichernde Erfahrung.

Zu Beginn der Corona Zeit war es für mich schwierig, das nötige Schutzmaterial zu bekommen. Das BAG hatte doch beinahe vergessen die Freiberuflichen mit dem nötigen Schutzmaterial zu versorgen. Dafür haben wir dann von der Kantonsapotheke eine kleine Menge Desinfektionsmittel und Schutzmasken gratis zugestellt bekommen. Sorgen machten mir die benötigten Schutzanzüge, die im Falle einer Corona Infektion bei einem Klienten zum Einsatz kommen würden. So eine OP- Schürze mit langen Ärmeln, die desinfiziert, bei 95°gewaschen und gebügelt, sich auch mehrmals verwenden liesse, schwebte mir vor. Alle angefragten Firmen waren nicht mehr in der Lage solche zu liefern. Zum Glück hat mir Margrit Bither aus mitgebrachten Leintüchern, gegen Bezahlung, solche originellen Isolationsschürzen genäht. Eine Schutzbrille hatte ich von meinem Max bekommen. Wäschedesinfektion hatte ich genügend vorrätig und somit war ich fürs rste gerüstet.

Der Lockdown

Alle meine Klienten waren durch den Lockdown betroffen, konnten ihre Angehörigen nicht mehr sehen und waren teilweise sehr einsam. Ich schlüpfte in eine neue Rolle als Vermittlerin zwischen den Klienten und den Angehörigen. Der Spitex Besuch war oftmals die einzige Abwechslung für die Menschen. Da wurde ich manchmal auch ein bisschen zur Seelsorgerin. Ich blieb bei einem Kaffee sitzen, machte mal einen Jass, ohne die Krankenkasse damit zu belasten. Das Einkaufen wurde teilweise zum echten Problem. So wurde ich manchmal auch zur Brötchenlieferantin. Mitgebrachte Kurzgeschichten in desinfizierbaren Mäppli waren eine willkommene Abwechslung und machten die Runde bei den Klienten.

Die ersten Corona Kranken

Ein hochbetagtes Ehepaar hatte immer wenn ich kam eine Maske getragen und war stets zu Hause geblieben. Echt vorbildlich! Wenige Tage nach der Grippeimpfung beim Arzt hatten beide die ersten Symptome. Der Arzt wollte erst keinen Abstrich machen, meinte es sei von der Grippeimpfung. Da kam meine Vollmontur zum ersten Mal zum Einsatz. Besser geschützt sein, war ein gute Devise. Nach fünf Tagen ging es dem Ehemann gar nicht gut. Eine Spitaleinweisung war angebracht. Alle Ambulanzen waren schon auf der Piste. Da habe ich den Klienten in meinem Auto ins GZO gebracht. Ich im Schutzanzug, versteht sich. Den Sitz mit Plastik überzogen und ein steriles Leintuch darüber und den Patienten darin eingewickelt. Im GZO wurden wir perfekt bedient. Hier war mein Klient in guten Händen.

Danach musste ich natürlich mein ganzes Auto desinfizieren, sicher ist sicher, dachte ich. Wenige Stunden später kam der Anruf vom GZO. Mein Client habe Covid. Beim Hausarzt holte ich gleich Material für einen Abstrich für die Ehefrau. Und auch ich musste einen Abstrich machen lassen. Die Ehefrau war auch positiv und ich Gott sei Dank negativ. Mein Schutzkonzept hatte sich bewährt. Nach einer Woche durfte der Ehemann wieder nach Hause. Er war noch etwas wackelig auf den Beinen und wurde von einer überglücklichen Ehefrau liebevoll empfangen. Zehn Tage musste ich meine Schutzanzüge bei der Pflege tragen, alles desinfizieren, die Berufswäsche kochen, bügeln, damit auch der letzte Covid Keim keine Chance mehr hatte. Die Pflege und Betreuung des Ehepaares in Zusammenarbeit mit den Ärzten war intensiv, aber auch eine grosse Freude. Beide wurden wieder gesund und waren bald wieder in der gleichen Verfassung wie vor der Infektion. Der Ehemann trat mit einer Bitte an mich heran. Er war immer ein sehr gepflegter Herr, nun nach dem Spital, war davon nicht mehr viel zu sehen. Er bat mich ihm die Haare zu schneiden. Was für eine Herausforderung! Ich bin nun mal keine Coiffeuse, aber ich tat mein Bestes. Eine Coiffeurschere hatte ich ja. Einmal tief durchatmen, Stossgebet zum Himmel und los ging es. Das Resultat war nicht übel. Er sah auf jeden Fall gepflegter aus, als vor dem Schnitt. Und siehe da, zwei Monate später bat er mich erneut um einen Coiffeureinsatz!

Drei weitere Covid Kranke hielten mich im November auf Trab. Ein Schwerkranker, den ich mit einer Gelbsucht ins Spital einweisen lassen musste, kam mit Covid aus dem Spital zurück. Er hatte auch gleich seine Lebenspartnerin und eine Nachbarin angesteckt. Ich nahm mir viel Zeit für die Betreuung der Erkrankten, die auch in der Isolation bleiben mussten. Auch hier wurde ich zur Vermittlerin zwischen den Patienten und deren Angehörigen und den behandelnden Ärzten. Ich erlebte eine sehr gute Zusammenarbeit mit allen Beteiligten. Mut machen, durchstehen und über der Sache stehen, war meine Devise, wenn den Betroffenen wieder einmal die Decke auf den Kopf zu stürzen drohte. Weiter waren also meine Leintuchschürzen mit mir im Dauereinsatz. Es hat sich gelohnt, neben neuen liebevollen Kontakten haben auch diese drei die Coronazeit gut überstanden. Und ich war noch immer Covid negativ!

Und doch ein Todesfall

Der an Gelbsucht Erkrankte war ausserdem schwer an Krebs erkrankt und brauchte immer mehr Pflege, Beistand und Betreuung. Auch seine Lebenspartnerin habe ich mit in die Pflege einbezogen. Sie wollte bei ihm bleiben und ihm in seinen letzten Tagen beistehen. Zusammen mit der Familie und dem Palliative Care Team Wetzikon haben wir ein gute Zusammenarbeit erlebt. Es war eine intensive, auf ihre Art schöne Zeit des Abschieds, bis er Anfang Januar in unseren Armen verstorben ist. Die Lebensgefährtin besuche ich ab und zu um ihr in der Trauer etwas beizustehen, was sie sehr schätzt.

Die Feiertage ohne Familie

Weihnachten und Neujahr war ich von meiner Familie getrennt. Meine Tochter und meine Stieftochter waren beide in Erwartung. Da war es nicht sinnvoll sie einem Risiko auszusetzen. Meine Eltern durfte ich auch nicht sehen. Meine Familie fehlte mir sehr. Nur mit meinem Partner Max feierten wir gemütliche Weihnachten und unheimlich ruhige Festtage.

Meine Klienten habe ich alle diese Tage besucht, betreut und gepflegt. Von ihnen, den Angehörigen und den Ärzten habe ich so viele Zeichen der Wertschätzung erhalten, dass ich in meinem Beruf ganz aufgegangen bin. Es war so schön zu erleben, wie mir bei den frühen Einsätzen am Morgen die Wernetshauser aufmunternd zuwinkten. Das zauberte ein Lächeln auf mein Gesicht.

Inzwischen bin ich geimpft und daher noch besser für meine Arbeit gewappnet.

Christine Reh
Spitex Dihei
Freiberufliche Pflegefachfrau Höfa 1
Schulweg 1
8342 Wernetshausen
Telefon 079 311 16 58

Kommende Veranstaltungen

Wöchentliche Aktivitäten in der Turnhalle Wernetshausen

(ausser während der Schulferien)